Vernunft

Aus Prophetia
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Vernunft und Verstand sind die beiden großen Seelenaugen, wobei die Vernunft, als der Handlanger oder das Vernehmvermögen des Verstandes, am seelischen Verstandesleib einem weit ausgreifenden Arm voller Augen und Ohren gleicht.[1] Sie sind ein weltbeherrschendes Ehepaar und stehen neben der Hölle (Anm.: im Sinne des natürlichen Lebens und dessen Leidenschaften) in der größten Gunst jedes Menschen, gegen die er fast nie oder nur selten auch nur etwas Kleinlichstes einzuwenden hat. Wenn der Herr den Menschen zu Sich erheben will, bleibt Ihm nichts anderes übrig, als auch diesen seinen intimsten Hausfreunden vollste Amnestie zu geben (d.h. Vernunft und Verstand werden vom Herrn in veredelter Form angenommen, und nicht etwa vernichtet, wie vorzüglich die Rationalisten unterstellen).[2]

Vernunft und Verstand haben ihren Grundsitz im Gehirn und im Blut, das das Gehirn in einer gewissen tätigen Spannung erhält, wodurch dieses die Fähigkeit beibehält, die Eindrücke und Bilder der materiellen Außenwelt aufzunehmen, sie zu vergleichen in ihren Formen und Wirkungen und sich endlich daraus einen Kreis von allerlei Schlüssen zu bilden.[3]

Wesen

Der natürliche Mensch kann aus seiner Vernunft nichts anderes ableiten als was zur Natur gehört und das mit dem Wesen seiner Vernunft übereinstimmt.[4] Sie kann weder Göttliches, noch Geistiges erfassen, wenn sie nicht vom Herrn erleuchtet wird,[5] daher soll sie nach oben, zu Gott, gerichtet sein.[6]

Die Vernunft des Menschen gleicht einem Garten, Acker oder Blumenbeet. Das Gedächtnis ist das Erdreich, die wissenschaftlichen Wahrheiten und Erkenntnisse sind die Samen, Licht und Wärme des Himmels bringen sie zum Wachsen. Ohne das Himmelslicht der göttlichen Wahrheit und die himmlische Wärme der göttlichen Liebe gibt es keine Vernunft.[7] Der Mensch steht durch das Sinnliche mit der Welt in Verbindung, und durch das Vernünftige mit dem Himmel.[8]

Die echte Vernunftfähigkeit besteht aus Wahrem und nicht aus Falschem. Die Fähigkeit des Menschen, vernünftig zu werden, wird bis zum ersten Grad des Lebens in jedem Menschen durch das bürgerliche Wahre (durch die Liebe zu Recht und Billigkeit) erschlossen, zum zweiten durch das sittliche (durch die Liebe zur Redlichkeit und Aufrichtigkeit) und zum dritten durch das geistige Wahre (durch die geistige Liebe zu jenem Guten und Wahren, das Himmel und Kirche betrifft). Die Vernunft wird nicht dadurch gebildet, indem der Mensch die verschiedenen Arten des Wahren kennt, sondern nur wenn er nach ihnen lebt, d.h. sie aufgrund geistiger Neigung um ihrer selbst willen liebt. Wer die Wahrheiten aus fleischlicher Neigung liebt, der liebt sie um seiner selbst, seines Rufes, seiner Ehre oder sonst eines Vorteils willen, und wird daher nicht vernünftig, denn die Wahrheiten sind ihm dann nur wie Knechte, die nicht in den Menschen eindringen und keinen einzigen Grad seines Lebens bei ihm aufschließen, nicht einmal den ersten, sie ruhen lediglich im Gedächtnis.[9]

Es gibt zwei Wege, die zum vernünftigen Gemüt des Menschen führen: Einen oberen oder inneren, durch den vom Herrn her Gutes und Wahres eindringt und einen unteren oder äußeren, durch den sich von der Hölle her Böses und Falsches einschleicht. Das vernünftige Gemüt selbst, zu dem die beiden Wege führen, liegt in der Mitte. Der Mensch ist daher soweit vernünftig, wie Licht aus dem Himmel bei ihm zugelassen wird, soweit das nicht geschieht, ist er auch nicht vernünftig, wenn er sich auch so vorkommen mag. Solange sich sein vernünftiges Gemüt bildet, entspricht es der Geisterwelt, was über ihm ist, dem Himmel und was unterhalb, der Hölle.[10]

Der verschlossene Weg des Himmels zum Bereich der Vernunft kann stets wieder geöffnet werden, wenn nur der Wille dem nicht widersteht, d.h. der Mensch kann die Wahrheiten einsehen und vernünftig sein, wenn er nur will.[11]

Die Fähigkeit zu vernünftigen Überlegungen ist nicht gleich Vernünftigkeit, sondern davon getrennt, auch wenn sie in der Welt als Vernünftigkeit gilt.[12]

Wer seine Vernunft gebraucht, blickt kaum über den Gegenstand der Sache hinaus, über den er nachdenkt. Tut er es doch, dann höchstens, um die Sache mit Argumenten zu begründen. Ist dies geschehen, dann behauptet er, es sei eine Glaubenssache, und daher müsse man daran glauben. Wer über die Wahrheiten vernünftelt, und noch weniger wer darüber streitet (diskutiert), der sieht die Wahrheiten nicht im Licht des Wahren, sondern schöpft sie entweder aus anderen Menschen, oder aus dem Buchstabensinn des Wortes, den er nicht innerlich versteht. So jemand will gar nicht, dass das innere Sehen in den Gegenstand des Glaubens eindringt. Anders verhält es sich mit denen, die sich den Wahrheiten ergeben haben. Diese hält nichts zurück, vorwärts zu schreiten und ohne Schranken überall hin vorzudringen, da die geschauten Wahrheiten sie leiten, wohin sie auch gehen.[13]

Ursprung

Die menschliche Vernunft entsteht durch den Einfluss des himmlischen Lichtes, denn Gott hat den Menschen dazu geschaffen, auch ein geistiges Wesen zu sein, das nach dem Tod fortleben soll und dann unter den geistigen Wesen in deren Welt leben soll. Dafür hat Gott Sein Wort vorgesehen, worin Er nicht nur Sich Selbst offenbart, sondern auch den Himmel und die Hölle.[14]

Vernunft und Gefühl

Die Gefühle im Menschen gleichen einem Polypen, der seine vielen Arme stets nach dem Fressen ausstreckt, sonst aber keine andere Intelligenz zeigt. Der Mensch wird oft von allerlei Gefühlen übermannt; würde er diesen folgen, ohne seine reinere Vernunft zu Rate zu ziehen, dann gleicht er einem solchen Tier. Nur die gebildete und gereinigte Vernunft regelt und ordnet die Gefühle des Menschen, scheidet die schlechten aus, behält die guten und reinen und macht so aus dem Scheinmenschen einen wahren Menschen. Dies betrifft allerdings nur die Weltmenschenbildung; diese Bildung muss stets ein notwendiger Vorläufer zu der späteren höheren Bildung des Geistes sein. Sie soll aber nicht ein Ultimum der Bildung sein und kann es auch bei aller noch so raffinierten Verfeinerung nie werden. Die Vernunft ist ein ursprünglicher Regulator der Gefühle zur möglichsten Veredelung derselben, gleichsam wie ein Kochlöffel die Speisen bereitet. Haben die Gefühle des Menschen einmal eine gewisse Reife erlangt, dann müssen sie der äußeren Vernunftpflege enthoben und zu einer höheren Lebensreife aus sich gebracht werden, weil sonst die ganze vorangehende Reifmachung der Gefühle eine rein vergebliche war. Dann muss die äußere Vernunft über Bord geworfen werden und die weitere Lebensleitung den reif gewordenen Gefühlen überlassen werden. (nach Suetal und Ribar)[15]

Siehe auch

Quellenverweise

  1. Jakob Lorber, Himmelsgaben 2.470625.4; Jakob Lorber, Robert Blum 2.279.5-6
  2. Jakob Lorber, Himmelsgaben 3.470527.7-8
  3. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 2.185.2; Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 5.62.1; Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 6.122.15
  4. Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 22
  5. Emanuel Swedenborg, Himmlische Geheimnisse 2196; Emanuel Swedenborg, Himmlische Geheimnisse 2203; Emanuel Swedenborg, Himmlische Geheimnisse 2209; Emanuel Swedenborg, Himmlische Geheimnisse 2654
  6. Jakob Lorber, Himmelsgaben 2.470625.4
  7. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 464
  8. Emanuel Swedenborg, Enthüllte Offenbarung 424
  9. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 468
  10. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 430
  11. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 455
  12. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 464
  13. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 270
  14. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 309; Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 22
  15. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 3.77.6-14; Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 3.78.1-6