Verstand

Aus Prophetia
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Der schlafende Verstand produziert Monster
Verstand und Vernunft sind die beiden großen Seelenaugen.[1] Die natürlich Denkenden heften ihren Blick nur auf die Welt und schreiben alles der Natur zu. Die geistig Denkenden richten ihr Auge auf den Himmel und schreiben alles dem Göttlichen zu. Das geistige Licht ist völlig verschieden vom natürlichen Licht. Im geistigen Licht können Dinge erreicht werden, die dem natürlichen unerreichbar bleiben.[2] Die sich im geistigen Licht befinden, sehen in Klarheit unzählig vieles, was jene, die sich im natürlichen Licht (natürlicher Verstand) befinden, gar nicht oder nur als einen einzigen Gegenstand undeutlich erblicken.[3]

Wesen

Der innere Verstand und das aus ihm kommende Denken des Menschen ist wie ein Himmel, denn sein Verstand kann in das Licht des Himmels erhoben werden und während der Erhebung in Gemeinschaft mit den Engeln über Gott, über die Liebe und den Glauben und über das ewige Leben denken. Wenn jedoch sein Wille nicht zugleich in die Wärme des Himmels erhoben wird, so ist der Mensch doch nicht mit den Engeln des Himmels verbunden, ist also nicht wie im Himmel.[4] Jeder Mensch soll den Verstand ausbilden und vernünftig denken lernen, aber nicht nach der Weise der Welt, sondern nach der Weise der wahren Kinder Gottes, wodurch auch der Gehirnverstand bald zu einer Lichtstärke gelangt, gegen die alle Weltweisheit eine große Finsternis ist.[5] Vor dem Verstand muss man sich hüten, so er anderswo herrührt als allein aus der Gottesliebe, ansonsten er den Menschen in größte Gefahr bringt. Man soll ihn daher stets der Gottesliebe untertan sein lassen;[6] man soll ihn stets nach oben, zu Gott dem Herrn, richten.[7] So wie das Mark aus dem Herzen genährt wird, so soll auch der Verstand wachsen aus der Liebe und eine gute Frucht aus dem Leben des Stammes sein – nicht aber gleich einer Schmarotzerpflanze an den Ästen des Lebens, dasselbe zu untergraben, zu ersticken und endlich gar zu vernichten.[8] Johannes der Täufer entspricht dem äußeren Weltverstand, wie er bei jedem Menschen beschaffen sein sollte.[9]

Der Verstand verlängert seinen Arm, die Vernunft, stets mehr und will mit demselben am Ende die ganze Unendlichkeit an sich reißen. Dieses eitel-tolle Bestreben des Verstandes aber ist jene gefährliche, Tod und Gericht bringende Eigenschaft der Seele, die als Hochmut bezeichnet wird. Wenn der hochtrabende Verstand aber das Eitle seiner törichten Bemühung einsieht und seine Vernunft oder sein Vernehmvermögen anstatt in die Unendlichkeit hinauszustrecken und das Unerreichbare erreichen zu wollen, demütig und bescheiden zurückzieht, und in das Herz als die Wohnung des Geist Gottes im Menschen lenkt und leitet, dann gelangt der Mensch auf solchem Weg zum wahren, ewigen Leben, zur wahren, seligen Ruhe desselben und findet da alles beisammen, was die Unendlichkeit enthält.[10]

Der Verstand ist gleich einem Schrank, in dem die Liebe ihre erworbenen Schätze aufbewahrt. Ist es in diesem Schrank finster, kann die Seele selbst durch die mühevollste Arbeit nur höchst wenig oder auch gar nichts finden. Ist es darin jedoch hell, findet man bald alles, wenn man nur recht sucht und Geduld im Suchen hat.[11] Wessen Verstand sich im Licht der Weisheit befindet, der gleicht einem Menschen, der um die Mittagszeit auf einem Berg steht und alles unter sich im Tal deutlich erkennen kann. Wer in noch höherem Licht ist, sieht dies durch Ferngläser zum Greifen nahe. Hingegen jene, die infolge ihrer Entscheidung für das Falsche im trügerischen Licht der Hölle sind, gleichen jenen Menschen, die zur Nachtzeit auf diesem Berg stehen und Laternen in der Hand halten, deren Schein ihnen nur die nächsten Dinge zeigt, doch auch diese nur in verschwommenen Umrissen.[12]

Die göttliche Weisheit ist im eigentlichen Sinne das Leben. Die göttliche Liebe bildet das Leben, ähnlich wie Feuer das Licht bildet. Beim Menschen ergießen sich die Liebe in den Willen und das Licht in den Verstand, die beide zu Aufnahmegefäßen dieses Einflusses geschaffen sind. Daher wohnt das Leben des Menschen im (von Gott erleuchteten, bzw. in dem von Gott erleuchteten Gemüt ausgehenden) Verstand und dessen Beschaffenheit hängt von der Art seiner Weisheit ab, deren Maß die Liebe seines Willens bestimmt und verändert.[13] Der Mensch kann viel wissen, denken und verstehen; allein was nicht mit seinem Willen oder mit seiner Liebe (seinem Leben) übereinstimmt, das wirft er von sich weg, sobald er, sich selbst überlassen, aus seinem Willen oder aus seiner Liebe denkt.[14] Wenn der Wille das Böse liebt, so liebt der Verstand das Falsche und ist von Lust entbrannt, es zu bestätigen, und das im Verstand bestätigte Böse ist das Falsche des Bösen.[15]

Niemals ist der Verstand irgendeines Menschen jenem eines anderen völlig gleich.[16]

Der Verstand ist so beschaffen, dass er bis ans irdische Lebensende und dann in Ewigkeit ausgebildet und vervollkommnet werden kann.[17] Der Verstand als geordnete Gehirnbibliothek der Seele jedoch fällt mit dem Wegfall des Leibes von der Seele. (nach Raphael)[18]

Jeder Mensch kann dem Verstand nach im Licht des Himmels sein, wenn nur der Wille in Ansehung seines Bösen geschlossen wird.[19] Jeder Mensch, sei er gut oder böse, kann seinem Verstand nach bis in das Licht der Engel des Himmels erhoben werden und sehen, dass es einen Gott und ein Leben nach dem Tod gibt, dass die Seele des Menschen nicht ein Äthergebilde, somit nicht ein Gebilde der Natur, sondern des Geistes ist, und dass sie ewig fortleben wird. Der Verstand kann sich in diesem Engelslicht aufhalten, sobald nur die natürlichen Grundneigungen entfernt werden, denn diese sind sowohl weltlich (und hängen darum an der Welt und ihrer Natur) als auch körperlich (und hängen daher am Körper und dessen Eigenem).[20]

Das Unterste des Verstandes ist das sinnliche (Anm.: empirische) Wissen.[21]

Das Verständnis, das aus Kenntnissen gebildet wird, wird durch das Pferd symbolisiert.[22]

Der Verstand entspricht der Aufnahme des Lichtes, das göttliche Wahre, das in den Himmeln ist; er ist das Aufnahmegefäß und Wohnstätte für das Wahre.[23]

Natürlicher Verstand

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Anmerkung: Mit natürlicher Verstand ist der sogenannte Gehirnverstand gemeint, das trügerische natürliche Denken, "Verstand" gemäß Lorber. Mit dem vergeistigten Verstand ist der "Verstand" gemäß Swedenborg gemeint, also ein Verständnis, das von höherem Licht erleuchtet wird.

Vernunft und Verstand haben ihren Grundsitz im Gehirn und im Blut, das das Gehirn in einer gewissen tätigen Spannung erhält, wodurch dieses die Fähigkeit beibehält, die Eindrücke und Bilder der materiellen Außenwelt aufzunehmen, sie zu vergleichen in ihren Formen und Wirkungen und sich endlich daraus einen Kreis von allerlei Schlüssen zu bilden.[24] Der Kopfverstand des Menschen hat keinen andern Weg, als den der materiellen Anschauung und sinnlichen Betastung.[25]

Der Verstand des Gehirns ist ein totes Weltlicht des Menschen, das naturmäßige Licht der Seele, das nicht in die innersten Lebensregionen des Geistes und seiner Kraft dringen kann.[26] Er ist nur sich selbst bildend aus lauter materiellen Begriffen zusammengestellt, ein Aufnahmeorgan der Seele, durch das diese zur Anschauung der Außenwelt gelangt. Er kann daher nichts Geistiges erfassen.[27] In wie weit das natürliche Licht (Rationalismus) im Verstand scheint, in so weit wird das geistige Licht (die göttliche Wahrheit) verfinstert; das natürliche Licht scheint im Verstand, wenn das Weltliche, Körperliche und Irdische mehr geliebt wird als das Geistige, Himmlische und Göttliche. Das natürliche Licht ist für sich allein, wenn es nicht vom geistigen Licht erleuchtet wird, von der Art, dass der Mensch das Göttlich-Wahre wie in der Nacht sieht, und nirgends anderswo weiß, ob es wahr ist, als weil der geistige Vorsteher so gesagt, und die allgemeine Versammlung es so angenommen hat.[28]

Was das Gehirn (Verstand) schafft, das taugt allein fürs vergängliche Leben dieser Welt und für den sterblichen Leib. Seele und Geist bedürfen alles dessen nicht; sie benötigen keine irdische Bekleidung, keine Wohnstätte, keinen Acker und keinen Weinberg. Alle Sorge aus der Erkenntnis des Gehirns ist auf die Deckung der leiblichen Bedürfnisse gerichtet. Daher kann der Gehirnverstand unmöglich je etwas rein Geistiges aufnehmen und fassen, weil er dem Menschen nur zur nötigen Versorgung seines Leibes gegeben ist. Solches kann nur der göttliche Geist im Herzen allein und muss daher schon von früh an geübt werden. Hat er irgendeine Festigkeit erreicht, so ist dann die rechte Lebensordnung schon so gut wie völlig hergestellt.[29]

Mit dem Verstand allein lässt sich Gott auch deswegen nie erfassen und begreifen, weil dieser der Seele gegeben war, um den Geist in ihr von der Gottheit zu trennen. So der Mensch nur mit dem Verstand Gott suchen und finden will, dann entfernt er sich nur umso mehr.[30] Der Verstand hat nur sehr kurze und schwache Arme, und kann große Dinge, so sie ihm auch sehr nahe wären, nicht erreichen. Noch weniger kann er ferne Sachen erreichen, um sie an sich zu ziehen. Da dem Verstand dies mit der Zeit doch gewahr werden muss, so wird er zornig, lässt alles stehen, räumt alles unnötige Zeug aus seinem Schneckenhaus und genügt sich in seinen eigenen Abstraktionen. Schließlich verabschiedet er das genotzüchtigte Gefühl und wird kälter denn der Nordpol selbst. Er fängt an, sich selbst in seiner allerhöchsten Dummheit als einen Gott anzustaunen, wo nicht gar selbst anzubeten, da er es endlich so weit gebracht hat, dass er zu wissen anfängt, dass er nichts weiß, und in diesem Nichtwissen doch alles zu wissen wähnt. Das ist denn hernach der größte Triumph - für den das harmloseste Kind keinen Heller gäbe und vor dem jedem noch so geringen Engel ekelt.[31]

Wer durch pures Beobachten und Beurteilen seines Verstandes zur inneren, wahren Weisheit des Geistes aus Gott gelangen will, der gerät auf Abwege und findet nicht einmal sich selbst und noch weniger Gott.[32] In der törichten Verstandes-Weisheit ist alles derart zerstreut und zertragen, wie die Sterne in der Unendlichkeit, von denen niemand erschauen kann mit seinem Verstand, wie und was sie sind und was darinnen ist.[33] Wer es nicht von Gott lernt, dem werden ewig die Dinge verborgen bleiben, die als Ankerpunkte zu einem höheren Denken und Fühlen des Geistes als fundamentale Grundlage da sein sollen.[34]

Höhere Erkenntnisse auf dem Weg der Verstandesforschungen scheinen zwar am Anfang den Geist überraschend zu sättigen, aber kurze Zeit bemerkt sein begehrender Magen, dass ihn die paar Süßträublein nur schläfrig gemacht, aber nicht gesättigt haben, er also immer noch leer ist.[35]

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Anmerkung: Tatsächlich haben Forschungen belegt, dass die oft verachtete Intuition, das sogenannte Bauchgefühl, dem Verstand himmelhoch überlegen ist. Ein Beispiel: 60 Prozent der spontanen Entscheider treffen objektiv bessere Entscheidungen beim Autokauf und nur 20 Prozent der akribischen Denker. Das ist bei allen komplexeren Entscheidungen so und liegt einerseits an der stark begrenzten Wahrnehmungsfähigkeit des Verstandes und andererseits an seiner Langsamkeit. Zudem sind die intuitiven Menschen eher glücklich mit ihren Entscheidungen und die Kopfmenschen oft unglücklich. Siehe "Lassen Sie Ihren Bauch entscheiden", P.M. Magazin 2011-1, ab Seite 38. Und das betrifft nur die gewöhnliche Intuition und noch nicht das eigentliche Herzdenken, das sogar Hellsicht und Ekstase birgt. Andererseits darf die Intuition nicht überschätzt werden. Der erste Eindruck ist nur oberflächlich, vor allem was die Menschenkenntnis und noch mehr die romantische Liebe betrifft. Da kann man leicht das Opfer seiner Vorurteile werden. Beständige Nachkontrollen sind notwendig und die Bestandsaufnahme sollte nie abgeschlossen werden. Siehe dazu "Wie tickt dieser Mensch", Psychologie heute 2017-09, ab Seite 19.

Verstand und Leben

Das Wissen, Glauben und Handeln des Verstandes ist eine eitle Träumerei und birgt keinen Lebensnutzen, denn im Herz weilt das Leben. (nach Raphael)[36] Das (eigentliche) Leben ist nur im Herzen und geht davon in alle Teile des Menschen aus, und damit auch in den Kopf (Verstand), welcher in sich kein Leben hat, sondern tot ist. Wer sein Herz durch den Verstand wecken will, der tötet es nur, denn schwächer ist wohl keine Liebe als die des Verstandes.[37] Gott sieht nie auf die Werke des Verstandes, wenn dieser das Herz verabschiedet hat. Über das Herz gießt Er Sein heilendes Liebelicht aus, damit es heil werde zum ewigen Leben und zu Ihm zurückkehrt.[38]

Verstand und Gemüt

All die (wahrhaft) großen und nützlichen Werke der Menschen auf der Erde, wie z.B. die der großen Meister in den schönen Künsten waren Schüler ihrer Herzen, ihres Gemütes, und ihre Werke stehen groß und unerreichbar vor den halbblinden Augen der aus lauter (natürlichem) Verstand zusammengesetzten Nachwelt, die sich die saure Mühe nimmt, die großen Werke eines freien Herzens durch tausend Regeln und Gesetze zu erörtern, von denen dem Großmeister bei der Schöpfung seiner unerreichbaren Werke sicher nie etwas geträumt hat. Nie hat ein solcher nachhinkender Regelschmied etwas Geniales, freies und Lebenduftendes zuwege gebracht; die Werke solcher Regelfabrikanten sind stets trocken und steif und kalt und leblos. Die Werke des bloßen Verstandes verhalten sich wie Fossilien und Mumien zur lebendigen Wirklichkeit. In allen Werken des bloßen Verstandes liegt der Fluch, während die geringsten Werke des Herzens von einem endlos großen Wert sind für alles, was atmet und lebt. Ein bloßer Verstandesmensch ist ein echter Totengräber. Sein Verstand, als ein Konglomerat von tausend Regeln und Gesetzen, ist der Spaten in seiner Hand, mit dem der tolle Totengräber einen Schacht in die vom lebendigen Gold strotzenden Tiefen des Herzens schlagen will; aber seine Mühe ist eitel und fruchtlos seine Arbeit. Denn das lebendige Gold bleibt nicht haften am plumpen Spaten, wohl aber taubes Gestein und Schlacken, aus dem nicht auch nur ein kleinster Tropfen echten Goldes zu bekommen ist. (nach Dismas)[39]

Vergeistigung des Verstandes

Der eigentliche Glaube an Gott wird dem Menschen auf einem inneren Weg vermittelt, nämlich von der Seele her in die oberen Gebiete seines Verstandes. Die Kenntnisse von Gott erlangt der Mensch auf dem äußeren Weg, da sie mittels der Sinne des Körpers vom Verstand aus dem geoffenbarten Wort geschöpft werden. Diese beiden Formen des Einflusses treffen in der Mitte des Verstandes zusammen, und hier wird der natürliche Glaube, der eigentlich nur Überredung ist, zu einem geistigen Glauben umgestaltet, der wirkliche Anerkennung bedeutet. Der menschliche Verstand ist daher wie eine Wechselbank, in der der Umtausch stattfindet.[40] Im selben Maß, wie der Mensch seinen Verstand durch die Wahrheiten aus Gottes Wort zubereitet, macht er ihn auch geschickt zur Aufnahme des Glaubens von Gott.[41]

Indem man den Verstand unter den Gehorsam des reinen Gefühls im lebendigen Glauben aus der Liebe zu Gott vollständig gefangen nimmt, wird man alle Dinge schauen, wie sie sind, und dann erst wird man klar und deutlich einzusehen anfangen, wo die ewige Sonne der Wahrheit und Wirklichkeit leuchtet.[42] Wenn man allerdings die Weisheit mehr liebt als die Liebe, so hat man deshalb wenig Liebe und darum auch ebenso wenig wahren Verstand als gerechte Mitgabe der Liebe.[43]

Vernunft und Verstand sind ein weltbeherrschendes Ehepaar und stehen neben der Hölle (im Sinne des natürlichen Lebens und dessen Leidenschaften) in der größten Gunst jedes Menschen, gegen die er fast nie oder nur selten auch nur etwas Kleinlichstes einzuwenden hat. Wenn der Herr den Menschen zu Sich erheben will, bleibt Ihm nichts anderes übrig, als auch diesen seinen intimsten Hausfreunden vollste Amnestie zu geben (d.h. Vernunft und Verstand werden vom Herrn in veredelter Form angenommen, und nicht etwa vernichtet, wie vorzüglich die Rationalisten unterstellen).[44]

Das Weltlicht muss abnehmen, gleich dem Licht des Mondes, damit man fähig wird, nach der vollständigen Hingabe des Weltlichts ein neues Licht aus den hohen Himmeln aufzunehmen, welches die wahre Liebe ohne Eigennutz und daraus die Gnade des großen, heiligen Gottes ist.[45]

Kein Mensch kann durch Ausbildung seines Verstandes mithilfe von Bibliotheken und hochtrabenden Universitätsprofessoren zur Wiedergeburt und zur Taufe des Heiligen Geistes gelangen, sondern lediglich nur durch die Demut und große Liebe seines Herzens. Er muss der Welt alles bis auf den letzten Heller zurückgeben, auch die hochmütig machenden Wissenschaften seines Kopfes.[46]

Solange der Verstand einen Beweis verlangt, um eine Lehre oder Offenbarung anzunehmen, so lange ist auch der Geist wie ein Gefangener im finsteren Gefängnis. Da dem verhungernden und verdurstenden Geist durch Beweise aber nur eine magerste Kost erteilt wird, kann er nie zu jener Kraft gelangen, vermöge welcher er sich von seinen Fesseln befreien könnte. Nimmt aber der Verstand des Herzens frei, ohne Beweise etwas an (siehe Glaube), da zeigt das Herz sogleich seine frei Kraft, die in den Geist übergeht und ihn frei macht. Ist der Geist frei, dann ist alles frei im Menschen: die Liebe, das Licht und das Schauen. Da braucht es keines Beweises für die Wahrheit mehr, denn da ist der freie Geist selbst die klarste und vollste Wahrheit aller Wahrheit (nach Petrus).[47]

Beispiele zur Bändigung des Verstandes

  • Wie kann ein Bild einem Menschen ganz vollkommen ähnlich sein und zugleich aber auch allen Menschen zum Ebenbild dienen?
  • Wie ist das, was nicht ist, noch zu sein scheint, doch alles und kann alles sein und wie ist im Gegenteil alles, was ist und alles zu sein scheint, im Grunde doch nichts oder wird doch wenigstens zu nichts?

An solchem Stoff würgt sich der Verstand gewaltig, aber das Herz wird sich freuen, da es daraus ersehen wird, dass die äußere Materie, die doch alles zu sein scheint, im Grunde aber doch nichts ist, das Geistige aber in der Materie, welches dem Blinden und Tauben nichts zu sein scheint, am Ende doch alles ist. Das Herz wird daraus ersehen, dass am Ende doch nur Gott alles in allem ist.[48]

Vergeistigter Verstand

Wille und Verstand haben ihren Ursprung in der göttliche Liebe und der göttlichen Weisheit, denen sie entsprechen.[49] Die der geistigen Sonne entströmende Wärme schenkt Engeln und Menschen Willen und Liebe, ihr Licht Verstand und Weisheit. Wie das leibliche Auge vom Licht der natürlichen Sonne erleuchtet wird, so der Verstand vom Licht der geistigen Sonne. Er wird nicht nur erleuchtet, sondern auch je nach seiner Liebe, es in sich aufzunehmen, mit Einsicht erfüllt, da dieses Licht in seinem Wesen Weisheit ist.[50]

Der Verstand entspricht den Augen.[51] So wie das Sehen des Auges durch natürliche Eindrücke, die Gegenstände der natürlichen Welt, angeregt wird, wird das Sehen des Verstandes durch geistige Eindrücke, die Dinge der geistigen Welt, angeregt.[52] Weil der Verstand dem Licht zuzuschreiben ist, sagt man von ihm dasselbe wie vom Auge, nämlich dass er sehe und erleuchtet sei, wenn er erkennt, verdunkelt und umschattet, wenn er nicht erkennt usw. Das geistige Licht des Menschen besteht im Licht seines Verstandes, und dessen Objekte sind Wahrheiten, die er in diesem Licht zergliedert und ordnet, in das Verhältnis von Grund und Folge zueinander setzt und aus denen er der Reihe nach Schlüsse zieht.[53]

Verstand und Wille machen den eigentlichen inneren oder geistigen Menschen aus und haben auch die gleiche Gestalt wie der Mensch, weil sie bis in die kleinsten Teile seines Körpers einwirken, indem sie den ganzen Körper in Bewegung setzten. Was immer ein Mensch tut, das tut er aus dem Verstand und aus dem Willen - aus dem Willen durch das Gute und aus dem Verstand durch das Wahre. Der Verstand ist eine Sache des Wahren, weil er ganz und gar aus Wahrheiten besteht und sich daraus bildet, d.h. alles was jemand versteht, nennt man wahr. Alles, was zum Verstand gehört, bezieht sich auf das Wahre.[54] Das Wahre und der Glaube sind dem Verstand zugehörig,[55] der Verstand ist das Aufnahmegefäß für den Glauben.[56]

Außer dem Gesichts- und Gehörsinn verdunkeln und schwächen die Sinne den Verstand soweit, wie sie überwiegen. Die Menschen sind im Hinblick auf das geistige Wahre umso stumpfsinniger und dümmer, je mehr sie sich dem Geschmack und den Reizen des körperlichen Kitzels hingeben.[57]

Aufgrund seines Verstandes kann der Mensch denken und begreifen, was wahr und was gut ist. Er denkt es jedoch nicht aus dem Willen, außer er will und tut es auch, erst dann ist es ein Teil von ihm geworden. Was hingegen nur dem Verstand angehört, ist zwar beim Menschen, aber nicht in ihm, bleibt eine Angelegenheit seines Gedächtnisses und der Kenntnisse, an die er denken kann, wenn er nicht innerlich in sich selbst, sondern außer sich bei anderen ist. Er kann dann darüber rede und Betrachtungen anstellen und auch Gefühle und Gebärden heucheln.[58]

Der Verstand kann immerfort vervollkommnet werden, und zwar durch die Wahrheit, die der Einsicht zugeordnet ist.[59]

Glaube und Verstand

siehe Glaube

Herzensverständnis

siehe Herzensverständnis

Falsche Vorstellungen

Man müsse den Verstand gefangen nehmen unter dem Gehorsam des Glaubens

Wer das Auge der Vernunft bei sich und anderen durch den eigenen Grundsatz verschlossen hat, dass man den Verstand gefangen nehmen müsse unter dem Gehorsam des (bloßen, d.h. lichtlosen) Glaubens, der bedenkt nicht, dass der aus Religion verschlossene Verstand blind ist wie ein Maulwurf und bloß Finsternis in ihm ist - eine Finsternis, welche alles geistige Licht von sich stößt, sich gegen den Einfluss vom Herrn und aus dem Himmel sträubt, und ihm im Fleischlich-Sinnlichen weit unter dem Gebiet der Vernunft in Glaubenssachen einen Riegel vorschiebt, dass er keine geistigen Dinge mehr wahrnehmen kann.[60]

Wer den Verstand vom Glauben entfernen kann, ist auch imstande, jeder Religionsart tausend Träumereien aufzudringen, wie es von den Römische-Katholischen in den vergangenen Jahrhunderten wirklich geschehen ist.[61]

Siehe auch

Quellenverweise

  1. Jakob Lorber, Himmelsgaben 2.470625.4; Jakob Lorber, Robert Blum 2.279.5
  2. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 130
  3. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 308
  4. Emanuel Swedenborg, Enthüllte Offenbarung 335
  5. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 9.100.14
  6. Jakob Lorber, Himmelsgaben 1.400604.14; Jakob Lorber, Robert Blum 1.105.1-3
  7. Jakob Lorber, Himmelsgaben 2.470625.4
  8. Jakob Lorber, Himmelsgaben 1.400717c.4
  9. Jakob Lorber, Robert Blum 1.39.7-9
  10. Jakob Lorber, Robert Blum 2.279.5-6
  11. Jakob Lorber, Robert Blum 2.245.5
  12. Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 61
  13. Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 39
  14. Emanuel Swedenborg, Vom Jüngsten Gericht 36
  15. Emanuel Swedenborg, Enthüllte Offenbarung 382
  16. Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 32b
  17. Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 32d
  18. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 3.180.15
  19. Emanuel Swedenborg, Enthüllte Offenbarung 386
  20. Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 79g
  21. Emanuel Swedenborg, Enthüllte Offenbarung 424
  22. Emanuel Swedenborg, Die Erdkörper im Weltall und ihre Bewohner 60
  23. Emanuel Swedenborg, Die Erdkörper im Weltall und ihre Bewohner 131; Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 87
  24. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 2.185.2; Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 5.62.1; Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 6.122.15
  25. Jakob Lorber, Robert Blum 1.35.1
  26. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 9.83.3; Jakob Lorber, Die Haushaltung Gottes 2.57.14
  27. Jakob Lorber, Die Haushaltung Gottes 2.76.6-7
  28. Emanuel Swedenborg, Vom Jüngsten Gericht 38
  29. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 3.182.20-22
  30. Jakob Lorber, Robert Blum 1.35.2
  31. Jakob Lorber, Himmelsgaben 3.401016.3-4
  32. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 9.100.11-14
  33. Jakob Lorber, Himmelsgaben 2.411204.1
  34. Jakob Lorber, Himmelsgaben 1.401014b.4
  35. Jakob Lorber, Schrifttexterklärungen 31.15
  36. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 3.243.6
  37. Jakob Lorber, Die Kindheitsgeschichte Jesu 103.9; Jakob Lorber, Himmelsgaben 2.421030.20-21
  38. Jakob Lorber, Die Haushaltung Gottes 2.76.23-24
  39. Jakob Lorber, Robert Blum 1.105.2-4
  40. Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 11
  41. Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 110e
  42. Jakob Lorber, Himmelsgaben 1.401016.4
  43. Jakob Lorber, Himmelsgaben 1.400602.2
  44. Jakob Lorber, Himmelsgaben 3.470527.7-8
  45. Jakob Lorber, Die Haushaltung Gottes 1.35.5
  46. Jakob Lorber, Schrifttexterklärungen 30.12-13
  47. Jakob Lorber, Bischof Martin 162.10-11
  48. Jakob Lorber, Himmelsgaben 1.401101.27-28
  49. Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 37b
  50. Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 39; Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 35l; Emanuel Swedenborg, Die wahre christliche Religion 59
  51. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 145; Emanuel Swedenborg, Enthüllte Offenbarung 25
  52. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 203
  53. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 130
  54. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 60; Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 137; Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 231; Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 370; Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 423
  55. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 368
  56. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 173; Emanuel Swedenborg, Vom Jüngsten Gericht 36
  57. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 462
  58. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 423; Emanuel Swedenborg, Vom Jüngsten Gericht 36
  59. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 221
  60. Emanuel Swedenborg, Enthüllte Offenbarung 611
  61. Emanuel Swedenborg, Enthüllte Offenbarung 451