Feindesliebe

Aus Prophetia
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"Vater verzeih Ihnen! Sie wissen nicht was sie thun" (1887, Karl Wilhelm Diefenbach)

Wesen

Wer Böses mit Bösem vergilt, der ist ein Knecht der Sünde. Wer Gutes tut fürs Gute, der hat die Schuld abgetragen und es bleibt ihm kein Anteil. Wer das Gute mehrfach erstattet, der ist seiner Brüder wert, aber vor Gott zählt nur eines: Gutes tun für Böses.[1] Wer seinen Feinden Gutes tut, jene segnet, die ihm fluchen, bittet für jene, die ihn verwünschen, Böses mit Gutem vergilt, der wird des Segens und der Gnade Gottes in Fülle teilhaftig werden.[2]

Seine Feinde gerecht und menschlich einer Buße zu unterziehen, ist gerecht und Gott wohlgefällig, und es solle allzeit also sein auf Erden; aber seinen Feinden von ganzem Herzen ihre Schuld vergeben und ihnen dazu noch Gutes tun und sie segnen, das ist rein göttlich. Das bringt nur die endlose Kraft der göttlichen Liebe zuwege, denn die menschliche ist zu schwach dazu.[3]

Gerechte oder ungerechte Feindesliebe

Einem erzbösen Menschen soll man durch eine zu große Gegenfreundschaft nicht noch mehr Gelegenheit verschaffen, seine Bosheit zu vermehren. Damit wäre nicht dem Feind geholfen, sondern seiner Bosheit (=ungerechte oder übermäßige Feindesliebe, die das Gegenteil von Nächstenliebe ist). Solchen Feinden hilft man, indem man sie den strengen Richtern der Welt übergibt, welche die zu schlecht und böse gewordenen Menschen, je nachdem sie es verdient haben, züchtigen und strafen und ihnen so die Bosheit austreiben, und wenn auch das nicht hilft, die Todesstrafe verhängen. So befolgt man das Gebot, der weltlichen Obrigkeit untertan zu sein, ob sie nun sanft oder streng ist.[4]

Jesus hat mit Seiner Predigt von der Nächstenliebe (Feindesliebe) die Richtergewalt, bzw. das Gesetz von Moses Ex 21.24, Lev 24.19 nicht aufgehoben, sondern nur solange gemildert, als bis die Feindseligkeit unter den Menschen nicht einen höllischen Grad erreicht hat.[5] Das Gesetz Moses wird von Jesus insoweit erfüllt, als es die Liebe in sich enthält. Unter den Jüngern des Herrn soll nicht "Auge um Auge, Zahn um Zahn" oder "wer einen totschlägt, soll auch wieder durch den Tod bestraft werden" sein.[6]

Verhaltensrichtlinien

Man soll jene lieben und ihnen Gutes tun, die einen hassen und verfolgen, und durch Gebete jene segnen, die einen fluchen und verdammen, anstatt sie zu fangen, zu richten und in Zwinger zu sperren. Mt 5.44, Luk 06.27, Röm 12.14, Ex 23.04 Dadurch sammelt man glühende Kohlen über ihren Häuptern und bessert ihr arges Gemüt am ehesten. Röm 12.20 Wer so handelt, der wird beginnen, große Wirkungen des Licht Gottes in seinem finsteren Herz wahrzunehmen.[7] Nichts ist dem Herrn angenehmer, als wenn man seine Feinde mit Liebe behandelt und für ihr zeitliches und ewiges Wohl sorgt. (nach Joseph)[8]

Wer seinen Feind durch dessen Vernichtung zu besiegen wähnt, der ist ein Feigling, der sich durch die Tötung des gefürchteten Feindes diesen vom Hals schafft. Ein rechter Held verdirbt den Feind nicht, sondern nimmt sich alle Mühe, ihn mit aller Klugheit, Geduld, Liebe und Weisheit im Herzen zu gewinnen. Dann erst kann er sich rühmen, einen wahren Sieg über seinen Feind erkämpft zu haben, und der erkämpfte Feind wird selbst sein größter Lohn sein.[9]

Man soll sich ein Beispiel am Herrn nehmen: Er ist von ganzem Herzen sanftmütig und demütig und hat mit jedem die größte Geduld.[10] Man soll sogar seinen Feinden Gutes tun und jene segnen, die einem fluchten. Dadurch wird man dem Herrn gleich, denn Er lässt Seine Sonne leuchte über Gute und Schlechte, und Seine ärgsten Feinde werden täglich aus Seiner allmächtigen Hand mit Wohltaten überhäuft. Nur über die argen Frevler wird Seine Rute geschwungen.[11]

Kraft des höchsten Grades der Nächstenliebe, die der Geist des Herrn im Menschen ist, hat jedermann das pflichtschuldigste Recht, seinen Feinden, sooft er will von ganzem Herzen zu verzeihen. Sooft ein Mensch seinem Feind verziehen hat durch den Geist des Herrn in ihm, sooft soll es auch in allen Himmeln demselben Sünder verziehen sein. Wenn es einen bösen Feind gibt, an dem alle Verzeihung fruchtlos ist, dann soll der Mensch sagen: "Der Herr vergelte es dir nach deinen Werken!", – und darin besteht die Vorenthaltung der Sünde. Diese höchste Liebesvollmacht aus Seiner höchsten Liebe hat der Herr darum den Menschen gegeben, damit sie untereinander selbst sich desto leichter wahrhafte Brüder in Seinem Namen werden können, denn bei den Juden konnte niemand, außer allein der Hohepriester, eine Sünde, die ein Mensch an dem andern beging, wieder sühnen, und das nur zu gewissen Zeiten und durch bestimmte Opfer. Zwei Menschen, die gegeneinander gesündigt hatten, blieben so lange Feinde, bis sie der Priester und das Opfer versöhnt hatten.[12]

Man soll nie sein Herz vor dem ärmeren Bruder verschließen, auch wenn er einmal ein Feind gewesen wäre. So wird man mit der Weile einer großen Gnade aus den Himmeln gewürdigt werden.[13]

Andere Wange hinhalten

Dass man sich ohrfeigen lassen soll Matth 5.39 wurde nicht ganz richtig niedergeschrieben und von den Übersetzungen nicht richtig wiedergegeben. Was gesagt und gemeint war ist folgendes: "So du mit einem Bruder oder Nachbarn einer kleinen Sache wegen in einen Streit geraten bist und er schlagheftig dir entgegentrat, so werde du nicht noch heftiger, sondern reiche ihm freundlich die Hand und vergleiche dich im Frieden mit ihm, auf dass die alte Freundschaft unter euch wieder belebt werde!" Durch ein sich ohrfeigen lassen, hätte Jesus dem Stärkeren ein Recht eingeräumt, den Schwächeren nicht nur einmal, sondern auch noch ein zweites Mal zu schlagen.[14]

Wer von einem minder bösen Menschen aufgrund einer Gemütsaufwallung eine Ohrfeige erhält, der soll sich nicht wehren und sie nicht erwidern, damit der Feind wieder besänftigt wird und man leicht auch ohne Weltrichter wieder zu guten Freunden werden kann. Mt 5.39, Luk 6.29 Wenn aber jemand mit einer mörderischen Ohrfeige voller Wut entgegenkommt, hat man das volle Recht, sich zu wehren; wäre dem nicht so, dann hätte Jesus seinen Jüngern auch nicht gesagt, sie sollen sich an einem Ort, wo sie nicht aufgenommen, sondern verfolgt und bedroht werden, den Staub von den Füßen über jene Menschen schütteln.[15]

Nach Rock auch noch den Mantel geben

Indem man das scharfe Gericht hinweg gibt und allen Menschen den weisen Rat gibt, dass sie dem, der von jemandem einen Rock verlangt, auch den Mantel hinzugeben sollen, so werden zwar die Diebe noch kommen und von einem dies und jenes verlangen, aber rauben und morden werden sie nicht. Wenn die Menschen aus wahrer Liebe zu ihren Geschwistern aus der Liebe zu Gott nicht mehr die vergänglichen Güter der Erde zusammenhäufen werden und wie der Herr einhergehen, dann wird es auch bald weder Diebe und noch weniger Räuber und Mörder geben.[16]

"So jemand rechten will mit dir um deinen Rock, da gebe ihm lieber auch noch den Mantel dazu" Mt 5.40 Lukas 6.29 wurde nicht ganz richtig niedergeschrieben und von den Übersetzungen nicht richtig wiedergegeben.[17] Um dieses Rechten wegen eines Rockes richtig verstehen zu können, müssen die jüdischen Sitten und Gebräuche zumindest halbwegs bekannt sein. Wenn jemand keine Mittel hatte, aber dennoch eines Rockes oder Mantels oder beider Kleidungsstücke bedurfte, dann ging er zu einem Kleidermacher, stellte ihm seine Lage vor und bestimmte ihm den Zahlungstermin. Dieser Termin wurde oft nicht eingehalten und der Kleidermacher war verpflichtet, bis zu einem dritten und letzten Termin abzuwarten, nach dem er erst seine Ware zurückverlangen konnte, wodurch es dann vor dem Richter nicht selten hitzig herging. Für diesen Fall bestand bei den Juden ein Gesetz, dass bei einer wirklichen Zahlungsunfähigkeit die Gemeinde den Kleidermacher zu entschädigen und dadurch erwerbsfähig zu erhalten hatte. Sie konnte von dem Gläubigen aber Regress fordern, wenn dieser zahlungsfähig geworden war, was aber unter zehn solchen Schuldnern kaum einer werden wollte und für seine permanente Zahlungsunfähigkeit allerlei Gründe vor die Gemeinde zu bringen verstand. Dadurch entstanden jahrelange Streitigkeiten und Jesus wurde gefragt, wie solchen Übeln zu begegnen sei. Dieser antwortete darauf, das beste Mittel bestehe darin, nach dem Gesetz Moses vollkommen redlich und ehrlich zu sein und nichts zu begehren oder zu verlangen, was des Nächsten ist. Da es sich aber um das Rechten eines Rockes wegen handelt, ist es besser ein- bis zweimal lieber den Rock, und am Ende noch den Mantel dazu, zu lassen, als die ganze Gemeinde zu viel unnützem Streit zu verleiten.[18]

Falsche Vorstellungen

Die Feindesliebe mache böse Menschen nur noch böser

Durch die Feindesliebe fördert man den bösen Willen der Menschen. Eine Bestrafung wäre besser. Wenn man Diebe und Mörder für ihre Untaten noch belohnt, dann wäre es bald aus mit den Menschen. Daher muss man dem Feind allzeit eine feste Stirn bieten und muss um sein Haus ein dorniges Bollwerk ziehen, damit dem Feind für immer die Lust vergehe, einem zu schaden. Das wird den Feind sicher eher zur Freundlichkeit stimmen, als ihm für eine erwiesene Untat auch noch eine Wohltat zu erweisen. (nach einem unteren Knecht)[19]

Richtig ist: Solches ist menschlich recht gut gedacht, aber von Göttlichem ist dennoch keine Spur dabei. Durch die Strafe schreckt man Übeltäter wohl ab, aber zu Freunden werden sie einem darum nimmer, sondern so sechzigfach größeren Feinden. Entstand die erste an einem begangene Sünde mehr durch Mutwillen und Schadenfreude, wird einem die zweite aus Zorn und Rache zugedacht werden. Hat man aber einem Übeltäter für etwas Arges, das er an einem begangen hat, zur rechten Zeit, da er in eine Not kam, eine Wohltat erwiesen, dann wird er seine Sünde, die er an einem beging, einsehen, wird sie tief bereuen und einem zum glühendsten Freund werden.[20]

Siehe auch

Quellenverweise

  1. Jakob Lorber, Die Haushaltung Gottes 1.20.30
  2. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 2.159.8-12
  3. Jakob Lorber, Die Kindheitsgeschichte Jesu 255.16-19
  4. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 10.215.9-12
  5. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 10.215.14-16
  6. Jakob Lorber, Himmelsgaben 3.640321a.2
  7. Jakob Lorber, Himmelsgaben 3.400818.37; Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 1.75.11; Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 6.227.17
  8. Jakob Lorber, Die Kindheitsgeschichte Jesu 62.5
  9. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 1.201.15-16
  10. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 2.159.14
  11. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 3.209.4
  12. Jakob Lorber, Die Erde 71.13-16
  13. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 1.174.4
  14. Jakob Lorber, Himmelsgaben 3.640321a.3-5
  15. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 10.215.12-13
  16. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 1.75.7-8
  17. Jakob Lorber, Himmelsgaben 3.640321a.3
  18. Jakob Lorber, Himmelsgaben 3.640321a.5-9
  19. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 2.159.9
  20. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 2.159.10-11