Leidenschaft

Aus Prophetia
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"Die Begierde", Félicien Rops
Alle möglichen Leidenschaften oder Begierden eines Menschen gehen aus seiner Hölle hervor. Sie sind die Freunde des Menschen seiner fleischlichen Natur nach, auszubildende Anlagen, und müssen alle von Gott ergriffen, erhoben und in erhaben Edles verkehrt werden, wenn des Menschen Geist genesen soll zum ewigen Leben.[1]

Wesen

Im Fleisch des Menschen befinden sich die bösen Leidenschaften, die sich in Trägheit, Arbeitsscheu, Wollust, Eigenliebe, Starrsinn, Hochmut, Neid, Geiz und Herrschsucht klar kundgeben.[2] Die Menschen werden von verschiedenen Leidenschaften beherrscht; ohne diese Leidenschaften, z.B. nach Besitz (Habgier), wodurch die Länder bevölkert werden, oder nach sinnlichem Genuss, der zur Vermehrung führt, wäre die Erde bald menschenleer.[3] Alle dem Menschen gegeben Kräfte erscheinen anfangs als schwer zu zügelnde Leidenschaften. Diese müssen nach oben (zum Guten) oder nach unten (zum Schlechten) der höchsten Ausbildung fähig sein, ansonsten die Menschen in größte Trägheit übergehen würden. (nach Engeln)[4]

Alle Leidenschaftlichkeit ist in sich eine Folge der Wachrufung der verschiedenartigen Fleisch- und Blutgeister. Sind diese einmal zu wach, dann gesellen sich bald die noch unreinen Seelen verstorbener Menschen zu ihnen. Wenn dies geschieht, ist ein solcher Mensch im vollsten Ernst besessen.[5]

Ein Mensch mit einem mehr offenen Gemüt wird durch eine schöne Gestalt, ob männlich oder weiblich, leidenschaftlich, während ein anderer, der blind für die Schönheit der Welt ist, völlig ruhig bleibt. Alles äußerlich Schöne birgt irgendeinen geistig vollendeten Grund in sich, daher ist das gewisse äußerliche Verliebtwerden in einen schönen Gegenstand ein zwar stummes, aber dennoch gegenseitig geistiges Erkennen und Erwärmen. Dieses muss so früh als möglich einer guten Leitung anvertraut werden, durch die es auf den eigentlichen Lebensgrund sozusagen zurückgeleitet wird, was nicht allzu schwer ist, da der eigentliche Lebensgeist, der sich durch die Liebe kundgibt, das eigentlich intelligente Wesen im Menschen ist und somit das seiner Natur und Ordnung Entsprechende leicht fasst und werktätig begreift. Daher sind leidenschaftslose Menschen in ihrer Seele viel schwerer zu wecken, als jene, deren Gemüt am Anfang der geistigen Entwicklung offener ist als irgendein anderes am Ende derselben. Was ein Leidenschaftsloser jahrelang suchen mag, um es zu erhalten, das kann ein Leidenschaftlicher in wenigen Tagen, ja oft in wenigen Stunden erreichen, wenn er dazu nur eine rechte Leitung bekommt und selbst ernsthaft will. Leidenschaftslose Menschen müssen einen scharfen Verstand besitzen, damit daran ihre viel stumpfere Seele einen Weg zu ihrem Geist habe, der ein viel längerer und beschwerlicherer ist als der, welchen die Geister der Liebe zu gehen haben. Der Geist der Liebe hat schon als offenes Lebenselement in und vor sich, was die stumpfere Seele erst umständlich durch den richtigen Gebrauch ihrer scharfen Außensinne erreichen kann. (nach Raphael)[6]

Die niederen, unreinen Leidenschaften werden symbolisiert durch Verkäufer und Käufer.[7]

Wirkungen

Die Leidenschaften sind Stürme der Seele, die ihr Lebenswasser aufwühlen und Gottes Ebenmaß in der Seele verzerren und zerreißen. Währt der Sturm lange, dann wird das Licht der Geistessonne daran gehindert, an das Lebensgewässer der Seele zu gelangen; die Seele wird dann finster, kann Wahres vom Falschen nicht mehr unterschieden und hält das Blendwerk der Hölle für ein Himmelslicht. Eine solche Seele ist dann auch schon soviel wie verloren. Es bedarf dann starker Prüfungen von oben, damit sie ihr Lebensmeer zur Ruhe bringe, ansonsten ist für sie keine Rettung.[8]

Verhalten

Der Mensch soll von den in sich wahrgenommen Kräften nicht töricht Gebrauch machen, bevor sie zur Vollreife gelangt (d.h. vergeistigt) sind . So wie die Früchte der Erde nur im Licht der Sonne reifen, reifen auch die geistigen Kräfte des Menschen nur im Licht Gottes, weswegen jeder Mensch seine Kräfte auf Gott hinwenden soll, um ein vollkommen reifer, mächtiger Mensch in der Ordnung Gottes zu werden. Er soll den bösen Leidenschaften mit der Macht der Liebe zu Gott und durch die Liebe zum Nächsten, durch Geduld, Demut und Sanftmut begegnen. Versäumt er dies, ist er selbst schuld an seinem (geistigen) Tod.[9]

Jenseits

In der geistigen Welt kann niemand seiner (herrschenden) Begierde widerstehen, weil die Begierde seine Liebe, die Liebe wiederum seinem Willen, der Wille aber seiner Natur angehört, und dort ein jeder seiner Natur gemäß handelt.[10]

Es ist ratsam, seine fleischlichen Gewohnheiten beizeiten (noch auf Erden) abzulegen, ansonsten wird es im Jenseits so sein, dass man zwar recht viel Gutes hört und weiß; wenn es aber aufs Handeln danach ankommt, dann geht es wie bei etlichen auf Erden, die wohl vom Kreuz recht gerne erhaben und würdevoll reden hören – aber nur auf ihre Schultern darf es nicht kommen. Ist das, wenn auch nur leise versuchsweise der Fall, dann fliehen sie bald dem Kreuz davon und sind nicht leicht wieder unter das Joch des Querholzes zu bringen.[11] So wird jeder in seiner Schwachheit und weltlichen Gewohnheit dereinst sein sicheres Kreuz finden, welches ihm in der geistigen Welt viel zu schaffen machen wird, wenn er es nicht auf dieser Welt mit viel leichterer Mühe völlig oder wenigstens zum größten Teil siegreich über sich gebracht hat.[12] Im Geiste kann jemand, der das Kreuz scheut, alles, wonach es ihn gelüstet, so lange haben, als er frei und unabhängig sein will. Mit einem solchen Geist ist aber nicht viel zu richten. Wenn er jedoch einmal durch häufige Witzigungen, welche aus seinen Schwachheiten entspringen, erst eines besseren und festeren belehrt wird, so kann es nach und nach besser mit ihm werden.[13]

Falsche Vorstellungen

Gott sei ungerecht und parteiisch, weil er leidenschaftliche und leidenschaftslose Menschen in die Welt setzt

Da der Schöpfer einen leidenschaftlichen Menschen reif und empfänglich für das Geistige und einen anderen so stumpf wie ein Stück Holz in die Welt setzt, muss er ungerecht und parteiisch sein. Was kann der leidenschaftslose Mensch dafür, wenn er begriffsstutziger ist als ein leidenschaftlicher?

Richtig ist: Ebenso kann man fragen, warum Gott auf der Erde so viele Steine erschaffen hat und warum nicht lauter sanftes, fruchtbares Erdreich, oder warum so viele Dornensträucher und Disteln. Alles ist im höchsten Grad notwendig und das eine könnte ohne das andere nicht bestehen. Vom kurzsichtigen Menschenverstand aus betrachtet ist Gott wohl ungerecht und parteiisch, aber demnach wäre auch ein Baumeister ungerecht und parteiisch, wenn er die größten und schwersten Steine für das Fundament verwendet, wo die armen Steine zuerst im finsteren Graben liegen müssen und dazu noch alle Last auf dem Rücken haben. Oder warum müssen die Wurzeln eines Baumes im finsteren Erdreich stecken, während die Äste stolz in der Luft und im alles erquickenden Licht prangen? In gleicher Weise hat der Herr auch die Menschen dieser Erde mit verschiedenen Fähigkeiten begabt, einige mit größeren und einige mit minderen; aber keinem ist das Tor in den großen Tempel der Vollendung verschlossen, jedem ist der Weg gegeben. Hätte der Herr allen Menschen genau das Gleiche gegeben, dann hätte keiner gegenüber dem andern einen Mangel. Aber womit sollte dann die alles belebende Nächstenliebe im Menschen erweckt und gestärkt werden und wie würde ein Mensch ohne Nächstenliebe die reine Liebe zu Gott finden, ohne die an ein ewiges Leben der Seele gar nicht zu denken ist? In der Stärke der Nächstenliebe liegt allzeit die innerste Offenbarung der reinen, göttlichen Liebe und in dieser das ewige Leben. (nach Suetal und Raphael)[14]

Quellenverweise

  1. Jakob Lorber, Himmelsgaben 3.470527.6; Jakob Lorber, Die Haushaltung Gottes 3.64.16
  2. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 6.225.19
  3. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 2.60.1-2
  4. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 2.60.3
  5. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 6.187.8
  6. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 3.78.11-13; Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 3.79.3; Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 3.79.7-8
  7. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 1.16.6
  8. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 2.148.13-14
  9. Jakob Lorber, Die Haushaltung Gottes 3.64.17-18; Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 6.225.19
  10. Emanuel Swedenborg, Himmel und Hölle 574
  11. Jakob Lorber, Himmelsgaben 2.430613b.2
  12. Jakob Lorber, Himmelsgaben 2.430613b.6
  13. Jakob Lorber, Himmelsgaben 2.430613b.9
  14. Jakob Lorber, Das Große Evangelium Johannes 3.79.4-19